Dieser Werkstoff, bei dem der Hauptanteil des Kohlenstoffs im Gusszustand in Form von Kugelgraphit ausgeschieden ist, hat gegenüber dem Gusseisen mit Lamellengraphit den besonderen Vorzug, dass er nicht nur eine wesentlich höhere Zugfestigkeit, sondern vor allem auch eine hohe Duktilität besitzt. Gusseisen mit Kugelgraphit ist in der in der europäischen Norm EN 1563 (DIN EN 1563) genormt.
Gusseisen mit Kugelgraphit ist ein hochwertiger Werkstoff, der die Vorzüge des Stahlgusses mit jenen des Graugusses vereinigt. Er hat eine dem Stahl ähnliche Streck- beziehungsweise Dehngrenze und Bruchdehnung, verbunden mit hoher Zugfestigkeit, gutem Dämpfungsvermögen und außergewöhnlich guter mechanischer Bearbeitbarkeit. Außerdem ist gegenüber dem Gusseisen mit Lamellengraphit die Zugfestigkeit (und ebenso auch die Dehngrenze) fast wanddickenunempfindlich. Kantenhärte wird umso sicherer vermieden, je höher der Kohlenstoffgehalt eingestellt wird; umgekehrt tritt Kantenhärte umso eher auf, je höher die Gehalte an Magnesium und Chrom liegen. Bild 1 zeigt den Bereich der günstigsten C- und Si-Gehalte.
Die Bildung von Kugelgraphit ist nur in nahezu schwefelfreien Schmelzen möglich (S < 0,08 %). Daher muss bei der Herstellung dieses Werkstoffes nicht nur ein schwefelarmes Eisen verwendet, sondern auch eine abschließende Entschwefelung durch Zusatz von Magnesium vorgenommen werden. Der erforderliche Magnesiumzusatz ist umso höher, je höher der Schwefelgehalt im Eisen ist. Hierfür gilt folgende Berechnung:

Hierin bedeuten
S - Schwefelgehalt im Eisen vor dem Magnesiumzusatz,
Mg' - angestrebter Magnesiumgehalt im Eisen.
Allgemein wird mit einem Magnesiumgehalt von 0,02 bis 0,08 % im gießfertigen Eisen und mit einer Magnesiumausbeute von etwa 40 % gerechnet. Damit lässt sich obige Formel auch wie folgt schreiben:

Diese Magnesiumbehandlung bewirkt vermutlich eine Erhöhung der Oberflächenspannung zwischen Graphit und Schmelze. Die Graphitkugeln entstehen direkt in der Schmelze, jedoch verläuft das Wachstum des Kugelgraphit-Eutektikums wesentlich anders als das des Lamellengraphit-Eutektikums. Es bilden sich zunächst Keime für den Graphit; die entstandenen Graphitkugeln umgeben sich mit einer Austenithülle, so dass sie im Gegensatz zum Lamellengraphit von der Schmelze völlig isoliert sind (Bild 2a). Jede Kugel entspricht einem Keim. Das weitere Wachstum der Graphitkugeln erfolgt nur durch Diffusion des Kohlenstoffs durch die Austenithülle hindurch. Die größer werdenden Austenithüllen stoßen dann zusammen und bilden Restschmelzebereiche, die schließlich auch erstarren, wobei die eingehüllten Graphitkugeln ihre maximale Größe erreicht haben (Bild 2). Im Falle ungenügender Magnesiumbehandlung oder längerer Abstehzeiten des behandelten flüssigen Eisens vor dem Gießen kann Vermiculargraphit an Stelle des Kugelgraphits entstehen.
Bild 3 zeigt schematisch den Erstarrungsablauf, der von der Wachstumsgeschwindigkeit der eutektischen Körner, die vom Diffusionsvermögen des Kohlenstoffes im erstarrten Austenit bestimmt wird. Letzteres ist allerdings nur sehr gering, und daher ist auch das Kornwachstum relativ langsam. Es kommt daher zu einem anderen Verlauf der Abkühlungskurve als bei der Kristallisation des Lamellengraphit-Eutektikums. Es bilden sich dabei immer noch neue Keime für neue Graphitkugeln, die dann kleiner sind als die zuerst entstandenen. Die starke Unterkühlung bringt die Gefahr mit sich, dass die metastabile Gleichgewichtstemperatur vor der beendigten Erstarrung unterschritten wird und Ledeburit entsteht. Diese Gefahr ist wesentlich größer als beim Gusseisen mit Lamellengraphit. Eine wirksame Impfung ist außerordentlich wichtig. Der Sättigungsgrad wird vorzugsweise naheutektisch oder schwach übereutektisch eingestellt.
Auf Grund dieses Erstarrungsverlaufes ergibt sich ein starker Einfluss der Abkühlungsgeschwindigkeit. Bei rascher Erstarrung sind die Graphitkugeln klein. Das breite Erstarrungsintervall begünstigt besonders die Lunkerung und Seigerung. Die zuerst gebildeten Zonen der Austenithülle dicht um die Graphitkugeln sind mit Silizium angereichert, während die zuletzt erstarrenden Restschmelzefelder zwischen den eutektischen Körnern arm an Silizium, dafür aber reich an Phosphor, Mangan und anderen Begleitelementen sind. Hier kann es zu Graphitentartungen oder Ledeburitbildung kommen. Häufig kann auch beobachtet werden, dass solche Restschmelzefelder beim Ferritisierungsglühen perlitisch bleiben.
Ferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit zeichnet sich durch hohe Dehnung aus, wobei allerdings die Zugfestigkeit niedriger liegt als beim rein perlitischen Werkstoff. Um ferritisches Gefüge zu erzielen, müssen die Mangangehalte sehr niedrig eingestellt werden. Mit dem Einsatz von Spezial-Roheisensorten mit Gehalten von etwa 0,2 % Mn beziehungsweise sogar 0,1 % Mn kann der niedrige Mn-Gehalt eingestellt werden. Bei richtiger Eisenzusammensetzung und Schmelzweise ist das Gefüge bereits im Gussstand ferritisch (Bild 4). Zur Gewährleistung eines 100 %ig ferritischen Gefüges ist jedoch meist eine Wärmebehandlung (Ferritisierungsglühen) erforderlich.
Da Gusseisen mit Kugelgraphit nur bei weitgehend oder vollständig ferritischem Gefüge optimale Duktilität und insbesondere höchste Schlag- und Kerbschlagzähigkeit erreicht, kommt es für die Herstellung von Gussstücken, die später einer Schlag- oder Stoßbeanspruchung unterliegen, vor allem auf die Erzielung eines möglichst perlitfreien, ferritischen Grundgefüges an. Da aber der Siliziumgehalt einen ungünstigen Einfluss auf das Verformungsvermögen hat, kann er nicht immer so bemessen werden, dass die Gussstücke schon im Gusszustand ferritisch und mit hoher Schlag- und Kerbschlagzähigkeit anfallen. Ein Ferritisierungsglühen, besonders bei geringen Wanddicken, ist oft nicht zu vermeiden (Bild 5).
Durch geringe Kupferzusätze (max. 0,5 %) werden die Zugfestigkeit und Dehngrenze des ferritisch geglühten Gusseisens mit Kugelgraphit angehoben, allerdings zu Lasten der Dehnung. Da beim ferritischen Werkstoff die Duktilität im Vordergrund steht, wird man in der Regel auf festigkeitssteigernde Kupfergehalte verzichten.
Anders aber liegen die Verhältnisse beim perlitischen Gusseisen mit Kugelgraphit. Hier fördern Kupferzusätze die Perlitbildung und damit die sichere Gewährleistung hoher Festigkeitswerte, die ja gerade das perlitische Kugelgraphitgusseisen auszeichnen (Bilder 6 und 7). Meist wird ein Eisen mit niedrigem Mangangehalt verwendet, aus dem ohne Zusätze die ferritischen Sorten und durch Kupferzusätze die perlitischen Sorten hergestellt werden. Zur Magnesiumbehandlung des perlitischen Eisens werden auch Kupfer-Magnesium-Legierungen benutzt. Kupferzusätze sind für die Perlitbildung wesentlich günstiger als die Erhöhung des Mangangehaltes, der die Neigung zur Carbidbildung erhöht.
Sehr hohe Zugfestigkeit lässt sich im perlitischen Gusseisen mit Kugelgraphit erreichen, wenn zur Magnesiumbehandlung eine Kupfer-Magnesium-Cer-Legierung verwendet wird (zum Beispiel 15 % Mg, 1,5 % Cer-Mischmetall, Rest Cu). Im Gusszustand werden Zugfestigkeitswerte von über 700 N/mm² und Dehnungen von 2 bis 6 % erreicht, wenn das Eisen nicht mehr als 0,3 % Mn enthält. Durch Normalglühen bei circa 900 °C mit anschließender Luftabkühlung steigt die Zugfestigkeit sogar auf knapp 1000 N/mm², wobei dann die Dehnung etwa 2 bis 3 % beträgt.
Kombinationen von Legierungselementen (zum Beispiel Nickel, Kupfer, Molybdän) sind bei Gusseisen mit Kugelgraphit dann von Nutzen und auch notwendig, wenn bestimmte Kombinationen von Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften, die sich mit unlegiertem Material nur schwierig erreichen lassen, gefordert werden. Die Wirkung von Legierungselementen auf die mechanischen Eigenschaften über die Beeinflussung des Grundgefüges (Veränderung des Ferrit-Perlit-Verhältnisses) ist einer Wärmebehandlung gleichbedeutend.
Die Verbesserung von Zugfestigkeit und Dehnung des perlitischen Gusseisens mit Kugelgraphit durch Normalglühen beruht im Effekt auf einer Erhöhung der Übergangstemperatur. Alle Eisen-Kohlenstoff-Legierungen (ausgenommen die austenitischen Legierungen) zeigen unterhalb der Übergangstemperatur ein sprödes Verhalten. Speziell beim perlitischen Gusseisen mit Kugelgraphit kann es nun vorkommen, dass die Übergangstemperatur über der bei der Durchführung des Zugversuchs herrschenden Raumtemperatur liegt und daher relativ niedrige Zugfestigkeits- und Dehnungswerte gemessen werden. Durch Normalglühen lässt sich eine gewisse Homogenisierung und damit eine tiefere Übergangstemperatur erreichen, so dass sich in solchen Fällen höhere Festigkeit und Dehnung als im Gusszustand einstellen. Allerdings schlagen im praktischen Betrieb die Kosten für eine derartige Wärmebehandlung entsprechend zu Buch.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von legierten Sonderwerkstoffen, wie beispielsweise austenitisches Gusseisen mit Kugelgraphit und bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit. Zu erwähnen ist auch das martensitische Gusseisen mit Kugelgraphit, das sehr verschleißbeständig ist und beispielsweise für Walzenguss eingesetzt wird (Bild 8).
Ein besonders interessanter Werkstoff ist das ausferritische Gusseisen mit Kugelgraphit, ein zwischenstufenvergütetes Gusseisen. Es erreicht Zugfestigkeitswerte von circa 850 N/mm² bei rund 10 % Dehnung bis circa 1400 N/mm² bei immerhin noch 2 % Dehnung. Die Werkstoffsorten sind in der europäischen Norm EN 1564 (DIN EN 1564) genormt.
Wenn mit der Zeit die Wirkung der Magnesiumbehandlung nachlässt oder die Schmelze wiederum sich mit Schwefel anreichert, verändern sich die energetischen Bedingungen der Schmelze so weit, dass die Graphitkugel zerfällt oder sich verformt. Es können auch Graphitauswüchse durch die Austenithülle hindurch entstehen (Bild 9), und dies sind bereits die Anfänge einer Bildung von Vermiculargraphit.