60-20-10 Diese Zahlen stehen für eine lange Erfolgsgeschichte des GIESSEREI LEXIKONs. Der Fachverlag Schiele & Schön legt nun 10 Jahre nach der letzten Auf-lage im 60 Jahr seines Bestehens die 20. Aufl age des GIESSEREI LEXIKONs vor. Dies geschieht in der Tradition eines Arthur Schulenburg – dem Herausgeber der 1. Aufl age – gesammeltes Wissen aus vie-len Jahrzehnten aufzubereiten und den Fachleuten und Gießerei-Interessierten zur Verfügung zu stellen.In seinem Vorwort zur 1. Aufl age 1958 bringt Arthur Schulenburg seine Ho -nung zum Ausdruck, einen Wunschtraum aller am Gießereiwesen interessierten Ingenieure, Techniker und Kaufl eute ver-wirklichen zu können. Mit den gewaltigen Fortschritten der Technik werde auch die Gießereitechnik immer weiter in Spezial-gebiete aufgeteilt, die begleitende Fach-literatur eingeschlossen. Mit der Samm-lung von Wissen in einem Lexikon war es das Anliegen, ein Lexikon als wertvol-les und zuverlässiges Nachschlagewerk zu verö entlichen. Schon mit der ersten Aufl age war es für den Herausgeber wich-tig: Erst die Kritik seiner Berufskollegen würde ergeben, welche Sachgebiete wei-ter ausgebaut werden müssen, welche als erwünscht oder zweckmäßig befunden werden.So sehr der technische Fortschritt die Arbeit verändert: Das GIESSEREI LEXIKON blieb als zuverlässiges Nachschlagewerk der Branche seit der ersten Aufl age beste-hen und dokumentiert die Veränderung der Technik und Technologie mit jeder Aufl age.In den letzten 60 Jahren hat sich die Welt, die Wirtschaft und nicht zuletzt die Gießerei-Branche sehr gewandelt. Wie sah es 1958 aus? Ein Blick auf die Schlag-zeilen der damaligen Zeit [1]:++ Der Vertrag über die Europäische Wirt-schaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) und der EURATOM-Vertrag treten in Kraft. ++++ Die Wirtschaftskonjunktur in der Bun-desrepublik hält in diesem Jahr an. Im Sep-tember erreicht die Arbeitslosenzahl ihren bisher tiefsten Stand. Die Werften erreichen mit ihrer Produktion den Vorkriegsstandard. Die Jungfernfahrt des Dampfers „Hanseatic“ nach New York ist ein weiterer Schritt für die deutsche Passagierschi fahrt. Bei interna-tionalen Messen zeigte sich, welche Wert-schätzung die Handelspartner der Bundes-republik als Lieferant und Käufer entgegen bringen. ++++ Im Sommer verzeichnet die Bundesre-publik Absatzschwierigkeiten im Kohleberg-bau. Die Situation der Ruhrzechen ist schwie-rig. Ein marktwirtschaftlicher Lösungsvor-schlag Ludwig Erhards wird nach langen Gesprächen zwischen Regierung, Gewerk-schaften und Unternehmerverbänden angenommen. Das Konzept führt zu Kurzarbeit und Feierschichten, über 13 Millionen Ton-nen Kohle bleiben auf den Halden. ++++ Der belgische König Baudouin I. eröffnet am 17. April in Brüssel die erste Welt-ausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter dem Motto „Arbeit der Welt – für eine menschliche Welt", steht diese Weltausstel-lung im Zeichen des ungebremsten Glau-bens an den technischen Fortschritt. ++

Der technische Stand der Gießereiindustrie 1958
Am Beispiel der Formmaschinen und der Druckgussfertigung kann der Tech-nik- und Technologiestand dieser Zeit vor Augen geführt werden. Die handwerk-liche Gießereitechnik wird zunehmend von der Mechanisierung und Automati-sierung geprägt. Ein fachübergreifender Wissenstand ist gefragt, wozu auch die Herausgabe des GIESSEREI LEXIKONs mit einem breiten Informationsstand einen Beitrag geleistet hat.
Im Taschenbuch der Gießereitechnik 1959 wird der erreichte technische Stand der Formmaschinen aufgezeigt [2]: „Moderne Formmaschinen zeichnen sich durch einen hohen Mechanisierungsgrad aus, dessen Skala von der folgerichtigen Ver-kettung einzelner Arbeitsgänge bis zur Voll-automatik reicht. Mit Presseinrichtungen sind spezifi sche Pressdrücke von mehr als 2 kg/cm² zu erreichen. … Hauptmerkmal einer modernen Formmaschine ist jedoch die Möglichkeit, sie in automatische Anlagen einfügen zu können. Erst in solchen Anlagen vermag die Maschine ihre maximale Leis-tung zu geben. Automatische Formanla-gen sind Transferstraßen, zusammengefügt aus Formmaschinen, Sandzuteilaggregaten, Hilfsgeräten, Transportmitteln und Steuer-geräten. Der Anteil der Fördertechnik über-wiegt.“ Im Beitrag zum Materialfl uss in der Gießerei [3] wird nachgewiesen, dass die Formmaschinen mit Einzelsteuerung Handbetrieb nur zu 10-15 % ausgelastet sind. Verkettete Transportsysteme sind unumgänglich. „Vielfach sind Gießereifach-leute der Ansicht, dass allein durch den Ein-satz moderner Formmaschinen die Arbeits-produktivität genügend gesteigert werden kann. Dies ist ein verhängnisvoller Irrtum, … weil übersehen wurde, dass die Leistungs-steigerung abhängig ist von der Lösung der Transportfrage für Sand, Formkästen, fer-tige Teile usw.“ [2]
Ebenso bestimmt die Druckgusstechnik die Entwicklungsrichtungen dieser Zeit. „Im internationalen Maßstab hat die Druckgussfertigung in den letzten Jahren eine starke Aufwärtsentwicklung zu verzeich-nen. Hauptsächlich der Kraftfahrzeug- und Motorenbau ist in vielen Ländern der Haupt-abnehmer der Druckgussbetriebe gewor-den.“ Die bereits seit 25 Jahren angewandte Kaltkammerdruckgusstechnik wurde weiterentwickelt. „Immer höhere Schieß- und Pressdrücke mit immer besse-ren Steuerungssystemen des Arbeitsablaufs haben dazu beigetragen, die Qualität und die Dichtigkeit des Druckgusses wesent-lich zu verbessern. Höheren Produktionsge-schwindigkeit, halbautomatischer und voll-automatischer Fertigungsablauf machten das Druckgussverfahren wirtschaftlicher, und durch den Bau größerer Druckgussma-schinen haben sich immer neue Anwen-dungsfälle erö net.“ Die Entwicklung in den USA zeigt, dass sich die Druckgussproduktion 1958 im Vergleich zu 1939 um das -fache gestiegen ist. Der Anteil der Druckgussproduktion an der Metallguss-produktion in der Bundesrepublik betrug 18 % (vgl. Tabelle ). Das mögliche Stück-gewicht und die größtmögliche Formteile-bene charakterisieren den Entwicklungs-stand (Tabelle ).
Nach 1958 stand die Qualitätsentwick-lung, die Mechanisierung und Automati-sierung im Blickpunkt: Aus der Kontrolle wurde ein Qualitätssicherungssystem. Die Beitragsthemen in den Fachmagazi-nen behandelten die Schwerpunkte
- Gussfehlerbekämpfung
- Mechanisierung und Automatisierung
- Weiterentwicklungen der Kupolofen-schmelztechnik (Entschwefeln, Reku-peratoren)
Folgerichtig wurde die Standardisierung der Qualitätsanforderungen an die Guss-teile genormt. So wurde 1958 der erste Vorschlag zur Normung der Freimaßtole-ranzen für Gussstücke und eine Vorlage für die Richtreihe zur Kennzeichnung der Graphitausbildung für Gusseisen und Temperguss, die in der heutigen Norm DIN EN §¨- aufgegangen ist, erarbeitet und den Fachkollegen zur Diskussion vor-gestellt
Gießereien in Deutschland ein gewachsener Mittelstandmit Schlüsselfunktion
Rund 95% der gut 600 deutschen Gieße-reien sind mittelständische Unternehmen mit circa 80.000 Beschäftigten. Ein gutes Drittel hat unter 50 Mitarbeiter beschäf-tigt. Zudem gibt es Großunternehmen mit mehreren Standorten sowie Gießereien mit einem direkten Anschluss an Unter-nehmen zum Beispiel an die Automobil-produktion. Deutsche Gießereien werden als international führend bewertet. Quali-tät und Innovationskraft im europäischen und internationalen Wettbewerb sind das Fundament dieser Einordnung. Die Fertigungstiefe in den Gießereien wurde zunehmend erweitert: angefangen von der Unterstützung der Kunden schon bei der Planung, Konstruktion und Entwick-lung neuer Gussteile über die Material- und Anwendungsoptimierung bis zur Lie-ferung einbaufertiger Baugruppen. Die moderne Gießerei ist Problemlöser, Ent-wicklungs- und Serienpartner [4].
Fachwissen und einen rasche Informa-tionsgewinnung sind im internationa-len Wettbewerb Schlüsselfunktionen für eine erfolgreiche Arbeit, um so auch den technischen Veränderungsprozess aktiv begleiten zu können.
In den Fachbeiträgen von 2018 der Fachzeitschrift GIESSEREI-PRAXIS spielte vor allem die Digitalisierung eine gewichtige Rolle:
- Analyse von Gießereidaten mit Me-thoden des maschinellen Lernens,
- Bewertung der prozessabhängigen Werkstoffeigenschaften von additiv gefertigtem AlSiMg unter statischer und niederzyklischer Ermüdungsbean-spruchung,
- Die Bestimmung der granulometri-schen Eigenschaften von Gießereisan-den mittels dynamischer Bildanalyse.
Die Gießerei-Branche unterlag schon immer gewaltigen Veränderungspro-zessen und großen Herausforderungen. Diese zu meistern, kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten im Produktionspro-zess über das entsprechende Knowhow verfügen und sich laufend weiterbilden. Einen kleinen, aber wichtigen Teil kann das GIESSEREI LEXIKON beitragen.
Das Redaktionsteam 2018 vom Fachverlag Schiele & Schön hat das Lexikon im 60. Jahr und nach nunmehr 10 Jahren mit der 20. Auflage wieder auf den neuesten Stand des Wissens gebracht. So steht jetzt für alle Interessierten die neue Ausgabe zur Verfügung. 60-20-10