Anorganische Bindemittelsysteme im Eisenguss – Aktueller Entwicklungsstand und Ausblick

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GP 04/2018

Die Inotec-Technologie der ASK Chemicals GmbH ist bislang auf die großserielle Anwendung im Leichtmetallguss vor allem in der Mittel- und Großserienfertigung beschränkt [1]. Auch im Schwermetallguss bergen anorganische Bindersysteme als emissionsfreie Systemalternative großes Potential, doch müssen ersteine Vielzahl an materialwissenschaftlichen und technologischen Hürden überwunden werden. So sind beispielsweise die Prozessabläufe und Sandsystemekomplexer und die Ansprüche an die thermische Beständigkeit des Binders deutlich höher [2]. Im Vortrag werden Anforderungen an das anorganische Bindersystem im Eisenguss sowie der aktuelle Entwicklungsstand vorgestellt. Es werden weiterhinverschiedene Lösungsansätze zur Verbesserung einzelner Prozessschritte unter Verwendung der Komponenten Bindersystem, Schlichte und Kernsand diskutiert. Motivation Die Inotec-Technologie der ASK Chemicals GmbH beschreibt eine außerordentlichres sourcen- und energieeffiziente sowie umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen organischen Kernherstellungs verfahren. Der Einsatz anorganischer Bindemittelsysteme hat sich in großseriellen Fertigungstechniken zur Gussteilerzeugung in den vergangenen zehn Jahren, vor allem im Aluminium Niederdruckkokillen- und Schwerkraftguss bei der Fertigung von Zylinderköpfen und -kurbelgehäusen, durchgesetzt. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber organischen Kernherstellungsverfahren ist das Verringern oder sogar Vermeiden von Gerüchen und Emissionen (Zersetzungsprodukte,Kondensate) während der Kernherstellungs- , Kernlagerungs- und Gießprozesse. Dadurch können nicht nur Luftaufbereitungsmaßnahmen eingespart, sondern auch Wartungs- und Reinigungsaufwan dder Metalldauerformen deutlich reduziert werden [1]. Warum ist die Implementierung anorganischer Bindemittelsysteme bislang nur auf die großserielle Anwendung im Leichtmetallguss begrenzt? Welche technologischen sowie materialwissenschaftlichen Hürden müssen überwunden werden um die Inotec-Technologie auch im Eisenguss erfolgreich zu etablieren?

Besondere Anforderungen an das anorganische Bindersystem im Eisenguss

Seit etwa einer Dekade gibt es diverse Machbarkeitsstudien zum Einsatz anorganischer Bindemittel in Eisengussanwendungen. Ein prominentes Beispiel hierzu ist die Studie zur Herstellung einer belüfteten GJL-Bremsscheibe, welche die Komplexität dieses Vorhabens ausführlich beschreibt [3]. Die Unverträglichkeit anorganisch-gebundener Sandkerne gegenüber Wasserschlichten, ein zu geringes Maß an thermischer Stabilität und einschlechter Kernzerfall sind materialwissenschaftliche Schwachstellen anorganischer Bindemittelsysteme, die deren Einsatz im Eisenguss bislang limitieren. Erste Versuche auch filigrane Kerngeometrien unter Einsatz wasserbasierter Schlichten vor dem Eintrag thermischer Energie während der Eisengießprozesse zu schützen, scheiterten bereits während der Schlichte- und Trocknungsvorgänge an Kernbruch.

Weitere prozessrelevanten Herausforderungen für die Verwendung anorganischer Bindemittelsysteme im Eisenguss sind die Überprüfung der Grünsandverträglichkeit, der Umgang mit alkalischen Altsanden, sowie eine zur Cold-Box-Technologiekonkurrenzfähige Optimierung der Taktzeiten.

Entwicklungsstand und Ausblick

Derzeit steht die gezielte Modifikation der chemischen und physikalischen Materialeigenschaften des Bindemittelsystems im Mittelpunkt aktueller Forschung. So konnte bislang schon die Verträglichkeit von wasserbasierter Schlichte und Inotec-gebundenem Sandkern gesteigert werden, dass heute selbst filigrane Kerngeometrienprozess sicher und deformationsfrei geschlichtet werden können (Bild 1). Durch den Auftrag spezifischer Schlichteformulierungen können gleichzeitig Schmelz- und Sinterungsvorgänge des anorganischen Bindemittelsystems unterbunden werden, woraus deutlich optimierte Zerfallseigenschaften und Gussoberflächen resultieren.

Des Weiteren kann die Thermostabilität des Bindersystems gezielt eingestellt werden (Bild 2a). Eine Erhöhung diesera lleine führt jedoch nicht zwingend zu einer Verbesserung der Maßhaltigkeit des Gussstückes, da sich auch das Längenwachstum des Sandkernes proportional zur Thermostabilität erhöht und zu Maßabweichungen des Gussteils führen kann (Bild 2b). Angestrebt wird ein ganzheitlicher Lösungsansatz, in dem die Komponenten Bindersystem (Binder und Promotor), Schlichte und Kernsand optimal auf die speziellen Anforderungen der jeweiligen Kerngeometrie sowie die Prozessbedingungen abgestimmt sind.

Enge Kooperationen mit Entwicklungspartnern der Automobilindustrie ermöglichen eine stete und systematische Weiterentwicklung der anorganischen Bindemittelsysteme für Eisenguss anwendungen, da technologische Erkenntnisse aus dem Labor in praktische Betriebsabläufe übertragen sowie Eigenschaften und Leistungsprofil spezifischer Formgrundstoffformulierungen an realen Bauteilgeometrien seriennah untersucht werden können.

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