ESI: „Unsere Software wird nah an der Praxis entwickelt“

46 Jahre ESI, 40 Jahre ESI Deutschland und fast 30 Jahre ESI ProCast: Der Spezialist für Gießerei-Simulationen blickt auf eine Expertise mit Tradition zurück. Ein Unternehmensporträt.

GP 06/2019
GIFA

„Wir sind Pioniere der Simulationstechnik“, sagt Andreas Renner, COO und General Manager Deutschland. Selbstbewusst präsentiert sich das Unternehmen, das 1973 in Frankreich von Alain de Rouvray – bis Februar 2019 Chairman und Präsident – und den drei Berkley-Doktoranden Jacques Dubois, Iraj Farhooman und Eberhard Haug gegründet wurde. Schnell macht es sich mit Simulationsmethoden einen Namen. Heute gehört das Virtual Prototyping zu den Stärken des Unternehmens. ESI Deutschland feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Jubiläum. Ende der 1970er Jahre realisierte die deutsche Automobilindustrie die ersten Crash- und Safety-Richtlinien. Weil dadurch die Nachfrage nach ESI-Lösungen in Deutschland stark anstieg, wurde 1979 bei Frankfurt die erste deutsche Niederlassung eröffnet. Dort saßen anfangs drei bis fünf Mitarbeiter – heute gibt es sieben Standorte  in Deutschland, an denen mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt sind: Wolfsburg, Neu-Isenburg, Essen, Dresden, Darmstadt, Stuttgart und München. Allein im Raum Frankfurt sind rund 50 Mitarbeiter beschäftigt. 80 Prozent der Mitarbeiter bei ESI Deutschland sind Ingenieure. „Software wird bei uns maßgeblich von Ingenieuren entwickelt, weil wir nah an der Praxis dran sein wollen“, erklärt Renner. ESI Deutschland ist verantwortlich für den deutschen,  niederländischen, belgischen und österreichischen Markt und damit die zweitgrößte Gruppe innerhalb des Unternehmens. Im Jahr 2018 erwirtschaftet sie etwa 20 Millionen Euro. ESI Deu schland ist stark in die Produktentwicklung eingebunden, berichtet Renner, anfangs im Maschinenbau und der Kraftwerktechnik, dann seien sie rasch in die Automobilbranche eingestiegen. Schon 1985 arbeitet ESI mit einem deutschen Konsortium unter der Führung von Volkswagen zusammen. Der Softwarehersteller gehört zu den Pionieren der Crashtest-   imulation: Ziel des Konsortiums ist es, das erste Unternehmen zu sein, das Simulationssoftware zur Analyse schwerer Deformationen an einem Auto bei einem Crash entwickelt. Dies ist der erste Schritt in Richtung der Entwicklung des ESI Flaggschiff- Produkts PAM-CRASH (PAM steht für: Program in Applied Mechanics). Die Automobilkrise hat das Unternehmen locker weggesteckt: „Unsere Umsätze haben sich zu dieser Zeit gegen den Trend entwickelt. Bei den Kunden gab es starke  Turbulenzen, aber sie habe auch verstanden, dass sie, wenn sie aus der Krise herauskommen wollen, mehr in Simulationstechnologien investieren müssen“, berichtet Renner. Auch die Elektromobilität bringe einen Zuwachs an Aufträgen mit sich. Zu ESIs Kunden gehört in erster Linie die Automobilindustrie, dann die Schwerindustrie und Hersteller von Maschinen sowie die Luftfahrt und Unternehmen des Energiesektors. Auch für Regierungen und Verteidigung  sowie Elektronik und Gebrauchsgüter entwickelt das Unternehmen Software. Um deutsche Gießereien mit passenden Lösungen beliefern zu können, arbeitet ESI seit 2017 mit dem italienischen Unternehmen Ecotre zusammen. Ein kluger Schritt: Ecotre beliefert seit 1996 den italienischen Markt mit Softwares für Prozesssimulationen und ist ein ausgewiesener Experte des Gießereiwesens. Gemeinsam entwickeln die Unternehmen ihre Software und gliedern Funktionen für Big Data, Maschine Learning oder Data Mining ein. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, Gießereien auf dem Weg in die Digitalisierung zu unterstützen. „Das ist eine starke Allianz. Wir sind die Software-Experten und Ecotre ist stark in der Praxis: Sie haben enge Kontakte zur Automobilindustrie und als Dienstleister im Gießereiumfeld kennen sie sich auf diesem Gebiet bestens aus“, sagt Renner.

Für Gießereien bieten ESI-Softwares Möglichkeiten der Analyse und Simulation, sie machen virtuelle Tests, virtuelles und autonomes Prototyping oder können hybride Twins erstellen. Mit dem Produkt ProCast hat sich ESI schließlich in der Gießereibranche einen Namen gemacht. Die Software wurde 1990 erstmals veröffentlicht, 2002 hat ESI das Schweizer Produkt akquiriert. Es ermöglicht eine komplette Kopplung von Thermik-, Strömungs- und Stressanalysen und die Evaluierung sämtlicher Gießverfahren für alle gießfähigen Legierungen. Der Clou von ProCast ist, dass immer wieder neue Funktionen implementiert werden können, damit die Kunden stets auf der Höhe der Zeit bleiben. ProCast kann Fehlstellen im Guss, Eigenspannungen, einen Bauteilverzug, die Mikrostruktur und die mechanischen Eigenschaften vorhersagen. Auch beim Kernschießen und der Wärmebehandlung kann die Software eingesetzt werden. Kunden wie General Electric, Rolls Royce oder PCC Airfoils nutzen das Produkt.

Das amerikanische Unternehmen PCC Airfoils LLC, das hochpräzisen Feingussteile für Turbinen herstellt, die  hauptsächlich in der Luftfahrt- und der Energieindustrie eingesetzt werden, war 1990 einer der ersten Kunden, die ProCast einsetzen. Simulation Engineering Manager Kathy Bell war Erstanwenderin der Gieß-Simulation und wählte ProCast als PCCs primäre Gießerei-Analyse- Lösung aus. 25 Jahre später ist sie sicher, dass dies die richtige Entscheidung war und bleibt: „Die Anwendung von ESIs Pro- Cast hat PCC Airfoils viele direkte Vorteile gebracht, so unter anderem die (frühzeitige) Erkennung und Vermeidung von Defekten in Serienteilen und die Senkung von Zeit und Kosten für den Anlauf von neuen Teilen. Einer der größten Vorteile ist jedoch die Reputation, die wir als ein Vorreiter in der Anwendung von Simulationstechnologien bei unseren Kunden entwickelt haben.”

Module für unterschiedliche  Phänomene des Gießprozesses
Im Keller der Processing Sciences Division der UES Inc begann in den späten 1980er Jahre der Software-Gründer Mark Samonds die Entwicklung von ProCast. Von dort aus gelang es ihm und vier seiner Kollegen, innerhalb  on drei Jahren ProCast weltweit Beachtung zu verschaffen. Einer der zahlreichen Meilensteine der Entwicklung von ProCast ist, dass Module für unterschiedliche physikalische Phänomene des Gießprozesses hinzugefügt werden können. Wichtige Ergänzungen in den 1990er Jahren waren die Berücksichtigung von Strahlung, die Spannungsanalyse und die deterministische Modellierung der Mikro- und der Kornstruktur. Diese Entwicklungen galten seinerzeit als zukunftsweisend und sind auch heute noch einzigartige Funktionen.

Mithilfe von immer leistungsfähigeren und schnelleren Computern können ESIs ProCast-Simulationen verteilt auf mehrere Kerne, Prozessoren und auf mehreren Computern laufen und so Simulationszeiten von Tagen und Wochen auf Minuten und Stunden reduzieren. Im Jahr 2006 erhielt die Software den Frost & Sullivan Technology Leadership Award in digitaler Simulation für seinen Beitrag zur Rationalisierung der Gießprozess-Entwicklung. Wer fliegt, Auto fährt, die Heizung anschaltet, sich die Hände wäscht oder Motorsport im Fernsehen anschaut, hat wahrscheinlich Produkte genutzt,die mithilfe von ProCast entwickelt  wurden.

Klar, dass ProCast auch der Star am Stand ist, wenn ESI sich auf der GIFA präsentiert. Auf der Messe wird es auch um die Chancen der Elektromobilität für Gießereien gehen. Standbesucher können sich anschauen, wie die italienische Gießerei FAR mit virtueller Simulation aus dem Hause ESI  ihre Produktion von einer Kavität auf zwei Kavitäten umgestellt und so die Produktivität deutlich gesteigert hat. An diesem Beispiel zeigt sich, wie der Weg zu einer Gießerei 4.0 aussehen kann. ESIs Themen auf der GIFA sind darüber hinaus: Leichtbau, Emissionsreduktion, Simulationen für additive Fertigung und Big Data Analysen. Das Unternehmen präsentiert sich auf der GIFA in der Halle 11 auf dem Stand H39.

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