Mikrostrukturbasierte Vorhersage von Materialeigenschaften anorganischer Formstoffe

Exklusiv
GP 04/2018

Der Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der TU München und das Fraunhofer ITWM arbeiten in einem gemeinsamen Forschungsprojekt an einer mikrostrukturellen Berechnungsmethode, die es ermöglicht, technologische Eigenschaften basierend auf den Eigenschaften von Sand und Binder zu simulieren. Die numerische Methode basiert dabei auf einem dreidimensionalen Modell der Mikrostruktur. Dieses wird eingesetzt, um mit einer Mehrskalen-Simulation makroskopische Eigenschaften des Formstoffs vorherzusagen. Im Vortrag werden Messmethoden und Ergebnisse zur Materialcharakterisierung von anorganisch gebundenen Sand-Binder-Systemen auf Mikro- und Makroebene vorgestellt. Des Weiteren werden erste Ergebnisse zur Modellierung und Simulation der Mikrostruktur gezeigt.

Einleitung

Getrieben durch strengere Umweltschutzgesetze und dem Streben nach einer nachhaltigen und emissionsarmen Produktion, sind anorganisch gebundene Kerne in den Interessensfokus vieler Leichtmetallgießereien gerückt. Die mechanische Festigkeit, Gasdurchlässigkeit, Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität sind entscheidend für die Qualität des erzeugten Gussteiles. Die Abhängigkeiten zwischen den Ausgangsmaterialien (Sand und Binder) und den geschossenen Kernen sind bisher ausschließlich mit heuristischen Methoden ermittelt worden. In diesem Forschungsprojekt wird eine Berechnungsmethode entwickelt und validiert, welche die technologischen Eigenschaften von anorganisch gebundenen Sandkernen aus denen der Ausgangsmaterialen bestimmt. Dieser Ansatz basiert auf einem dreidimensionalen Modell der Mikrostruktur.

Ziele

Im Projekt werden anorganisch gebundene Formstoffe auf Wasserglasbasis untersucht. Mit Hilfe einer Mikrostrukturanalyse wird ein dreidimensionales Modell der Struktur des Formstoffes erstellt, welches es mit Hilfe mathematischer Methoden (Homogenisierungs verfahren) ermöglicht auf die makroskopischen Eigenschaften zu schließen. Damit wird es möglich, die Eigenschaften beliebig gestalteter Formstoffe virtuell zu bestimmen.

Ein Fokus liegt dabei auf der Berechnung von Festigkeiten. Daher wird als weiteres Ziel ein Kontinuumsschädigungsmodell auf der Mikroskala erstellt werden,welches das makroskopische Werkstoffversagen beschreibt.

Mit den erarbeiteten Methoden ist es möglich, die technologischen Eigenschaften anorganisch gebundener Formstoffe erstmals mathematisch zu beschreiben. Das bisherige, rein heuristische Wissen, wird um ein physikalisches Modell erweitert, welches die Formstoffeigenschaften anhand der Gestalt der Mikrostruktur und der physikalischen Eigenschaften der Konstituenten erklärt. Das Vorgehen zur Zielerreichung im Projekt ist in Bild 1 dargestellt.

Mikrostrukturanalyse und Modellbildung

Um das zentrale Ziel eines Mikrostrukturmodells zur erreichen, wird an geschossenen anorganisch gebundenen Kernen eine Analyse durchgeführt, die auf verschiedenen Verfahren basiert:

  • Die Anordnung und Packungsdichte der Sandkörner werden mit μ-CT Aufnahmenbestimmt. Bild 2 zeigt beispielhaft eine dreidimensionale Aufnahme.
  • Die Form der Sandkörner wird in einem optischen Partikelmessgerät bestimmt.
  • Die Gestalt und das Bruchverhalten der Binderbrücken werden mittels Rasterelektronenmikroskop analysiert. Eine Aufnahme ist ebenfalls in Bild 2 zusehen.
  • Die elastischen Parameer der Binderbrücken werden mit der Nanoidentation an Schliffen von Kernen gemessen.
    Aus diesen Daten werden im Anschluss repräsentstive Geometrien erzeugt, die die Basis der Berechnungsmethode darstellen. Wichtige Parameter der Kernherstellung wie Bindermenge, Kornform, Sieblinie und Verdichtung können variiert und so an die Heterogenität von anorganiasch gebundenen Sanden angepasst werden. 

Simulation des Elastizitätsmoduls undder Festigkeit

Basierend auf der Mikrostrukturanalyse werden mit repräsentativen Kornformen Strukturen generiert, deren Packungsdichte und Bindermenge mit geschossenen Kernen übereinstimmt. Bild 3 zeigt die FEM Spannungsanalyse einer solchen Struktur. Deutlich sind in rot die Spannungsspitzen in den Binderbrücken an den Kontakten zwischen den Körnern zuerkennen. In dieser Simulation können Verdichtung, Kornform und Bindermenge variiert werden, um die Auswirkungen dieser Parameter auf das mechanische Verhalten des Kerns zu untersuchen und vorherzusagen.

Aktueller Stand und Ausblick

Sowohl die experimentellen, als auch die simulativen Methoden sind fertig entwickelt und die Simulation konnte durch experimentelle Ergebnisse validiert werden. So wurden Elastizitätsmoduli erfolgreich errechnet und ein makroskopisches Berechnungsmodell für das Versagen von anorganisch gebundenem Quarzsand aufgebaut. Damit ist die Grundlage zur Simulation von Festigkeiten auf Mikrostrukturebene geschaffen. Als abschließenden Schritt im Forschungsprojekt sollen die erarbeiteten Methoden für Parameterstudien (Verdichtung, Kornformund Bindermenge) eingesetzt werden, um so ein tiefgreifendes Verständnis der mechanischen Wirkzusammenhänge im anorganischen Formstoff zu erlangen. Das Forschungsprojekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert(AN 341/9-1 und VO 1487/16-1).

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