Prüfmethoden zur Charakterisierung der Fließfähigkeit anorganischer Kernsandmischungen – Kernherstellung mit anorganischen Bindersystemen

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GP 04/2018

Der Einsatz organischer Bindersysteme in der Gießereiindustrie führt zwangsläufig zu schädlichen Emissionen durch die thermische Zersetzung der organischen Bindemittelbestandteilen. Diese Emissionen sind eine starke Belastung sowoh lfür die Mitarbeiter der Gießerei, aber auch der Umwelt, die sich nur durch komplexet echnische Maßnahmen minimieren lässt.  Durch die Einführung von anorganischen Bindersystemen lassen sich dies chädlichen Emissionen vermeiden, da keine umweltschädlichen Stoffe bei der Anwendung freigesetzt werden. Um die gleiche Produktivität und Qualität organischgebundener Formen und Kerne zu erreichen ist noch viel F&E-Aufwandn ötig. Ziel ist die Herstellung von qualitativhochwertigen Formen und Kernen mit anorganischen Bindersystemen, besonders durch die Anpassung der Fließfähigkeit der Sandmischung. Einige Prüfmethoden zur Charakterisierung der Fließfähigkeit werden im Folgenden diskutiert. Anorganische Bindersysteme Anorganische Bindersysteme für Formen und Kerne werden als Zweikomponentensysteme verarbeitet. Sie bestehen aus einer wässrigen Alkalisilikatlösung und einem anorganischen Pulveradditiv. Für das Additiv werden meist Mischungen verschiedener Minerale verwendet. Diese Bindersysteme sind umweltverträglich, enthalten keine gefährlichen Stoffe, werden mit Warmluft ausgehärtet und erfordern keine aufwändige Altsandentsorgung. Bevor anorganische Bindersysteme die bisherigen organischen Kernbinder ablösen können, bedarf es sicherlich noch einiger Entwicklungsaktivitäten. Mit dem anorganischen Bindersystem "Solosil" können Formen und Kerne hergestellt werden. Es ist ein warmhärtendes System das geeignete Festigkeiten gewährleistet, ein mit organischen Bindern vergleichbares Produktivitätsniveau mit Umweltverträglichkei tkombiniert. Fehlerfreie Gussteile Die Herstellung fehlerfreier Gussteile wird neben einer Vielzahl von Prozessparametern wesentlich von der Kernqualität beeinflusst. Typische Fehler bei der Kernherstellung sind eine ungleichmäßige Verdichtung des Sandes, Fehlstellen im Kern selbst und zu niedrige Festigkeiten. Fehlerhafte Kerne führen dann zu Gussfehlernam fertigen Stück. Das Ziel dieses Beitrages ist nicht alletheoretisch möglichen Prozessparameter zu diskutieren, sondern um die Messung spezifische Parameter bzw. Prozessgrößen die bei der anorganischen Kernherstellung wesentlich die Qualität der Kerne zu bestimmen.

Fließfähigkeit der Sandmischungen

Eine wesentliche Größe bei anorganischen Bindern ist die Fließfähigkeit der jeweiligen Sandmischung. Die Fließfähigkeit der Sandmischung stellt sicher, dass der Kernkasten beim Schießvorgang vollständig gefüllt wird. Eine niedrige Oberflächenreibung zwischen den Sandkörnern und niedrige Reibungswerte zwischen Kernkasten und Sandkörnern sind u. a. Voraussetzungen für die vollständige Füllung des Kernkastens.

Bild 1 zeigt links einen Kern mit Fehlern, verursacht durch eine schlechte Fließfähigkeit der Sandmischung, und rechts einen einwandfreien Kern mit gleichmäßiger Verdichtung und ohne Fehlstellen. Erreicht wurde dies durch eine verbesserte Fließfähigkeit der Sandmischung. Die Fließfähigkeit der Sandmischungen wird durch verschiedene Parameter beeinflusst, wie Art und Menge des flüssigen Bindemittels und Typ und Menge des eingesetzten pulverförmigen Additivs. Die Additive selbst unterscheiden sich durch die Partikelform und -größe sowie die Korngrößenverteilung und die chemische Zusammensetzung.

In den Gießereien werden sehr unterschiedliche Sande aus lokalen Vorkommen eingesetzt. Die Bindemittel und Additive müssen deshalb für die unterschiedlichen Sandqualitäten modifiziert werden.

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, welche Methoden es für die Bestimmung der Fließfähigkeit verschiedener Sandmischungen gibt. Eine Haupteinflussgröße für die Fließfähigkeit einer Sandmischung ist die Oberflächenspannung des Binders selbst. Zuerst wird die Oberflächenspannung mit einem handelsüblichen optischen Messgerät bestimmt. Durch geeignete Zusätze kann die Oberflächenspannung des Binders verringert werden. Eine verringerte Oberflächenspannung führt zu einem verbesserten Benetzungsverhalten des Binders auf den Sandkörnern der Kernsandmischung. Wie bei vielen Additiven gibt es eine Grenzkonzentration. Höhere Zugaben bewirken keine weitere Senkung der Oberflächenspannung. Bild 2 zeigt der Einfluss der Oberfläche-Aktiven Komponenten auf der Oberflächenspannung, wobei Typ A am schlechten und Typ B am besten die Oberflächenspannung runterbringt.

Um die Wirksamkeit des modifizierten Binders zu prüfen, werden verschiedene Sandmischungen hergestellt und mit einem geeigneten Messgerät wird die Fließfähigkeit der Mischungen gemessen. Es kann gezeigt werden, dass eine verringerte Oberflächenspannung des Binders die Fließfähigkeit der Sandmischungen verbessert. Dazu wurden verschiedene Kerngeometrien geprüft.

Weitere Verbesserungen lassen sich durch die Modifikation des pulverförmigen Additives erreichen. Feinkörnige Zusätze sind hier besonders wirkungsvoll, wie abgebildet in Bild 3. Durch eine Kombination der verschiedenen Modifikationsmöglichkeiten lassen sich sowohl die flüssige Binderkomponente als auch das Additiv optimal auf verschiedene Gießereisande abstimmen. Weitere Entwicklungsschritte für das Bindersystem"Solosil" wurden für die Messung der Heißverformung und der Entkernungseigenschaften durchgeführt.

Anorganisches Kernbindersystem für den Eisenguss – ein neuer Ansatz

Dr.-Ing. habil. Hartmut Polzin, Dr.-Ing Theo Kooyers — Peak Deutschland GmbH, Nossen

Die Herstellung von anorganisch gebundenen Kernen für den Eisenguss und besonders für die Anwendung in Kundengießereie nmit häufig wechselnden Sortimenten ist eine der wichtigsten zu lösenden Aufgabender Gießereibranche. In der Praxis eingeführte Technologien zur Herstellung anorganisch gebundener Kerne sind zur Zeit hauptsächlich aus der Großserienfertigung von Aluminiumkokillengussteilen bekannt. Der hier gezeigte Ansatz wurde bereits im Jahr 2013 in seinen Ursprüngen vorgestellt, wobei dort die Herstellung von Aluminiumgussteilen im Fokus stand. Die wesentlichen Charakteristika dieses neuen Verfahrens waren die Verwendung eines Einkomponentenbinders auf Wasserglasbasis ohne zusätzliche Additive, die Aushärtung der Kerne ausschließlich mit Warmluft sowie der Einsatz unbeheizter Kernherstellungswerkzeuge.

Anorganisches Kernbindersystem

Mit der Entwicklung des vorgestellten Bindersystems soll Eisengießereien, die in vielen Fällen Kundengießereien mit häufigwechselnden Sortimenten sind, eine Möglichkeit zum Einsatz anorganisch gebundener Kerne gegeben werden. Wesentlicher Aspekt dabei ist der Wegfall eines teuren beheizten Kernherstellungswerkzeuges aus Stahl, welches nur in der Großserienfertigung zu rechtfertigen ist. Bei dem eingesetzten Bindersystem handelt es sich um ein Bindemittel auf Alkalisilikat- bzw. Wasserglasbasis, welches mit einer ganzen Reihe von Oxiden modifiziert wurde und keinerlei organische Bestandteile enthält[1].

Mit dem System werden Festigkeiten erreicht, die mit denen der am Marktbekannten anorganischen Bindersysteme vergleichbar sind. Durch den Einsatz deutlich geringerer Binderzugaben (in den meisten Fällen 2 % oder weniger) werden geringe Restfestigkeiten nach thermischer Belastung sowie ein sehr gutes Zerfalls-und damit Entkernverhalten sichergestellt. Bild 1 zeigt die Biegefestigkeiten für zwei Binder bei dem sehr niedrigen Bindergehalt von 1,75 %, die natürlich bei Bedarf durch höhere Zugaben gesteigert werden können. Das Bild 1 gibt auch einen Hinweis auf die Lagerfähigkeit von hergestellten Kernen (hier 80 % relative Luftfeuchte).

In Abgussversuchen in mehreren Eisengießereien wurden ohne Probleme qualitätsgerechte Gussteile hergestellt (Bilder 2 und 3). Die oft gestellte Frage nach der Beeinflussung des bentonitgebundenen Umlaufformstoffes durch zulaufenden Kernaltsand kann ebenfalls positiv beantwortet werden, wobei dies frühere Untersuchungen bestätigt [2, 3, 4]. Bild 4 zeigt hier beispielhaft, dass der Zulauf von 25 % Kernaltsand (thermische Belastung 800 °C) keinen signifikanten Einfluss auf die Nasszugfestigkeit des bentonitgebundenen Formstoffs hat.

Die wesentlichen bei einer beabsichtigten Anwendung des Verfahrens offenen Fragen sind lösbar. Zur Bereitstellung der benötigten Heißluft sind entsprechendeanlagen technische Lösungen an den Kernschießmaschinen zu schaffen, weiterhin sind für die Kernkästen geeignete Materialien wie beispielsweise spezielle Kunststoffe oder Aluminium zu verwenden. Wenngleich die angesprochenen Punkte nicht sofort in jeder Gießerei lösbar sind, so gibt das vorgestellte Verfahren doch die Hoffnung auf eine im Eisenguss in nächster Zeit anwendbare Lösung.

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