„Unternehmen sollten unbedingt eine Digitalstrategie entwickeln“

Digitalverband Bitkom rät: Bei der Additiven Fertigung am Ball bleiben

GP 03/2019
Interview von Anne Meyer-Gatermann Lukas Klingholz, der beim Digitalverband Bitkom für die Themen 3D-Druck und Industrie 4.0 zuständig ist, erklärt im Interview, welche Chancen und Herausforderungen  die Additive Fertigung aus Sicht des Verbandes bietet.GIESSEREI PRAXIS: Welchen Status hat die Deutsche Industrie auf dem Gebiet der Additiven Fertigung im internationalen  Vergleich? 
Lukas Klingholz: Deutschland ist in der Additiven Fertigung derzeit Weltspitze. Und  das ist kein Zufall, denn unsere starken Leitindustrien vom Maschinenbau bis zur Automobilindustrie sind weltweit führend. 3D-Druck ist eine der zentralen Technologien, die bisher erfolgreiche Entwicklungsund Herstellungsprozesse in Kernbranchen wie dem Flugzeug- und Fahrzeugbau, dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Gesundheitswirtschaft ablösen wird. In einer Bitkom-Studie geben 56 Prozent der Unternehmen in Deutschland an, dass ihrer Meinung nach 3D-Druck eine große Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen haben wird.Gleichzeitig sagen 38 Prozent, dass in ihrem  Unternehmen 3D-Druck bereits genutzt wird, der Einsatz geplant ist oder zumindest diskutiert wird. War 3D-Druck bislang vor allem etwas für Spezialistenund von begrenztem Anwendungsinteresse  in industriellen Prozessen, so ändert sich dies gerade radikal durch technologische Fortschritte der Drucktechnologieund Materialien. Welche Chancen ergeben sich aus dieser Situation? 
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und bieten damit entsprechend viele Chancen. Diese reichen von der Individualisierung der Produkte, der gerne zitierten„Losgröße 1“ bis zu einer höheren Designfreiheit.  Im 3D-Druck lassen sich Formen und Strukturen herstellen, die mit klassischen Verfahren schlicht nicht möglich sind. Zugleich lassen sich auch verschiedene Materialien in einem Druckgang verwenden und mehrere gleiche Objekte in einem Druckgang herstellen. Je nach Produkt und Druckverfahren gibt es deutliche Vorteile bei Präzision, Geschwindigkeit, Qualität und nicht zuletzt beim Preis – bei allen vier Punkten werden wir in den kommenden Jahren noch deutliche Fortschritte sehen. Dazu kommt, dass sich der 3D-Druck nicht nur in der Produktion einsetzen lässt, sondern auch beim sogenannten Rapid Prototyping, also bei der schnellen Erstellung von Prototypen. Und wenn wir noch etwas weiter in die Zukunft denken, dann ist der 3D-Druck auch  noch eine umweltfreundliche Alternative zur klassischen Fertigung. Verglichen mit subtraktiven Technologien wird weniger Material verbraucht. Und durch den 3D-Druck lässt sich die Produktion an den Ort des Verbrauchs verlagern und so umweltschädlicher  Verkehr reduzieren. Was sind Herausforderungen?
Wir müssen die großen Chancen des  3D-Drucks erkennen und dafür sorgen, dass Wirtschaft und Politik die Weichen richtig stellen – und bestehende Hemmnisse aus dem Weg räumen. Vor allem in kleineren und mittelständischen Unternehmen gibt es noch eine große Zurückhaltung bei dieser neuen Technologie.  Wie bei allen neuen Technologienstellt sich den Unternehmen das Problem,  dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Wichtig ist auch: Die geltenden Regeln etwa in den Bereichen Produkthaftung, Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz, Umwelt und Emissionen sowie im internationalen  Handelsrecht sollten — wenn überhaupt — nur mit großer Sorgfalt und auf Basis der Erfahrungen der Wirtschaft mit 3D-Druck angepasst werden. Sie setzen sich dafür ein, dass die Additive Fertigung in Deutschland als Schlüsseltechnologie begriffen wird. Warum?
Die Additive Fertigung ist eine Schlüsseltechnologie, weil sie nicht nur Auswirkungen auf eine Branche hat, sondern auf eine Vielzahl von Leitbranchen der deutschen Wirtschaft. Diese Leitbranchen beschäftigen hierzulande Millionen Menschen und leisten einen entscheidenden Beitrag zu Wachstum und Wohlstand in Deutschland. Dabei verändert die Additive Fertigung die bestehenden, konventionellen Prozesse nicht nur evolutionär, sondern sie entfaltet ein disruptives Potenzial. Anders gesagt: Durch den 3D-Druck wird sich die Produktion grundlegend verändern – und wer hier zu lange wartet, kann später gezwungen sein, einen deutlich weiteren und steileren Weg zu gehen. Wie kann es gelingen, dass Deutschland seine führende Rolle auf dem internationalen Markt weiter ausbauen kann? 
Wir dürfen uns auf dem Erreichten nichtausruhen. Für Deutschland und Europa ist  die digitale Transformation ohne Zweifel eine große Herausforderung. Um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb so erfolgreich zu sein, muss die Wirtschaft digitale Technologien für ihre Prozesse und Geschäftsmodelle verstehen und kreativ für sich nutzen. Für Wirtschaft und Politik stellt sich daher die Frage, wie die Erfolgsgeschichte fortgeführt und die Spitzenposition im internationalen Wettbewerb ausgebaut werden kann. Wir sollten daher gerade kleinere und mittlere Unternehmen bei der Einführung von additiven Fertigungstechnologien in ihrer Produktion fördern. Hilfreich kann es auch sein, gerade den Mittelstand zur Zusammenarbeit mit Startups und etablierten Unternehmen der Digitalwirtschaft zu ermutigen. Die Initiative „Digital Hubs Germany“ des Bundeswirtschaftsministeriums kann dabei für eine ganze Reihe von Branchen eine gute Anlaufstelle sein. Und um den steigenden Bedarf an Fachkräften zu befriedigen, müssen wir nicht nur in allen Bildungsstufen digitales Know-how vermitteln, sondern insbesondere Kenntnisse zur Additiven Fertigung und zum 3D-Druck rasch in alle relevanten Ausbildungsberufe integrieren. Welche Hemmnisse gibt es auf Unternehmensseite, mit auf den Zug aufzuspringen?
Das vielleicht größte Hemmnis ist eigentlich eine zunächst mal sehr positive Nachricht: In vielen Unternehmen sind die Auftragsbücher  prall gefüllt. Und damit gibt es wenig Zeit, sich mit strategischen Fragen zu beschäftigen. Aber es gibt natürlich auch ganz konkrete Hemmnisse. So gibt es aktuell beim 3D-Druck noch Probleme bei der Skalierung, eine industrielle Massenfertigung ist größtenteils aktuell nicht möglich. Und in vielen Bereichen gibt es bei der Additiven Fertigung ein großes Potenzial – aber es fehlt noch an ganz konkreten Use Cases und Beispielen aus anderen Unternehmen. Welche Hemmnisse gibt es auf Unternehmensseite, mit auf den Zug aufzuspringen?
Das vielleicht größte Hemmnis ist eigentlich eine zunächst mal sehr positive Nachricht: In vielen Unternehmen sind die Auftragsbücher  prall gefüllt. Und damit gibt es wenig Zeit, sich mit strategischen Fragen zu beschäftigen. Aber es gibt natürlich auch ganz konkrete Hemmnisse. So gibt es aktuell beim 3D-Druck noch Probleme bei der Skalierung, eine industrielle Massenfertigung ist größtenteils aktuell nicht möglich. Und in vielen Bereichen gibt es bei der Additiven Fertigung ein großes Potenzial – aber es fehlt noch an ganz konkreten Use Cases und Beispielen aus anderen Unternehmen. Was empfehlen Sie Unternehmen, die darüber nachdenken, auf Additive Fertigung zu setzen?
Welche Stolpersteine gibt  es zu beachten? Gerade kleinere Unternehmen stehen vor der Schwierigkeit, dass sie oft kein eigenes Know-how zum Thema haben. Dazu kommen eine Vielzahl von technologischen Entwicklungen, die gleichermaßen eine Rolle spielen, etwa die Themen Datenanalyse oder  ünstliche Intelligenz. Unternehmen sollten deshalb unbedingt eine Digitalstrategie entwickeln, wie sie die digitale Transformation gestalten wollen und wiesie neue, digitale Geschäftsmodelle entwickeln können. Und diese Strategie muss  Chefsache sein. Welche gesetzlichen Regelungen sind aus Ihrer Sicht notwendig?
Wir sollten vor allem aufpassen, dass wir nicht zu viel und das Falsche tun. Aus Sicht des Bitkom bedarf es keiner regulatorischen Neuordnung. 3D-Druck ist zwar technologisch disruptiv, stellt sich regulatorisch allerdings nicht wesentlich anders als computergesteuertes Fräsen dar. Hier besteht  im Moment deswegen kein dringender Handlungsbedarf. Die Herstellung von Produkten mit 3D-Druckern bringen auch rechtliche Stolpersteine  mit sich – berührt werden unter anderem Design-, Marken-, Patent-, Gebrauchs- und Urheberrecht. Welche Probleme gibt es dabei und wie kann sichergestellt werden, dass sich die Unternehmen auf einem rechtssicheren Boden bewegen?
Die Rechtslage ist eindeutig. Die derzeit geltenden Regelungen zum Immaterialgüterrecht wie Design-, Marken-, Patent-, Gebrauchsmuster- und Urheberrechtschützen ausreichend sowohl die für den 3D-Druck notwendige Datei, als  auch das kopierte Objekt gegen Verletzungen. Eine gesonderte Regulierung ist daher nicht erforderlich – und könnte sogar kontraproduktiv sein, wenn sie über das Ziel hinausschießt und so die Anwendung der neuen Technologie hierzulande erschwert. Gut ausgebildetes Fachpersonal ist rar – wie lässt sich dies aus Ihrer Sicht lösen? 
Wir müssen die auf dem Markt nachgefragten Fertigkeiten zur Additiven Fertigungrasch in die schulische und berufliche  Ausbildung integrieren, aber auch indie betriebliche Weiterbildung sowie in die  Studiengänge an Hochschulen und Universitäten. avon sind eine ganze Reihe von Studiengängen betroffen — etwa Architektur, Biotechnologie, Design-Studiengänge,  Konstruktion, Maschinenbau, Ingenieurwesenoder Materialwissenschaften. Und wer bereits im Berufsleben steht, muss mit den  entsprechenden Fertigkeiten ausgestattet werden. Was können die Unternehmen selbst tun?
Unternehmen müssen ihre  Mitarbeiter weiterqualifizieren. Das gilt für Fertigkeiten rund um den 3D-Druck im Speziellen, aber  uch ganz allgemein für digitales Knowhow. Niemand kann heute mehr in seinem Beruf 30 oder 40 Jahre lang tätig sein, ohne sich ständig fortzubilden und weiterzuqualifizieren. Das ist eine Herausforderung für jeden Einzelnen – aber auch für die Unternehmen. Weiterbildung ist kein Nice to  have, sondern ein Must.

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