Stahl- und Chemiebetriebe schalten ab
ArcelorMittal, dessen Produktionsstandorte in Duisburg und Eisenhüttenstadt bereits in Kurzarbeit sind, zieht in Deutschland weitere Konsequenzen. Ab Ende September wird einer der beiden Hochöfen am Flachstahlstandort Bremen stillgelegt. Im Hamburger Langstahlwerk wird die Direktreduktionsanlage außer Betrieb genommen. Auch in diesen beiden Werken gilt bereits Kurzarbeit.
Aufgrund der Verzehnfachung der Gas- und Strompreise ist das Unternehmen bei der Stahlherstellung nicht mehr wettbewerbsfähig. Für die Entscheidung spielten weiterhin eine schwache Marktnachfrage, ein negativer Wirtschaftsausblick sowie anhaltend hohe CO2-Kosten in der Stahlproduktion eine Rolle.
„Dazu kommt ab Oktober die geplante Gasumlage der Bundesregierung, die uns weiter belasten wird“, so Reiner Blaschek, CEO von ArcelorMittal Germany und dem Standort Bremen. Er sieht dringenden politischen Handlungsbedarf.
Dr. Uwe Braun, CEO von ArcelorMittal Hamburg, ergänzt: „Wir haben den Verbrauch von Gas bereits sehr stark reduziert. Unter anderem haben wir das Vorprodukt Eisenschwamm extern aus Amerika zugekauft, wofür wir sonst vor Ort Erdgas genutzt hätten. Die Anlage hat den Betrieb bereits um rund 80 Prozent reduziert.” Um weiter produzieren zu können, muss Eisenschwamm mit höherem CO2-Fußabdruck komplett importiert werden.
ArcelorMittal Germany kritisiert, dass der Erdgaspreis allein ausschlaggebend für die Strompreisbildung ist. Das Strommarktdesign müsse angepasst werden. Die geplante Gasumlage darf außerdem nicht noch zusätzlich auf die bereits sehr hohen Spotmarktpreise angewandt werden. Das Unternehmen fordert daher gleichartige Entlastungsregeln in Europa in Form eines europäischen Industriestrompreises.
Auch die Chemiebranche, die mit als erste vor den Folgen einer Gaskrise warnte, ist spürbar betroffen. Bei den SKW Stickstoffwerken Piesteritz aus Wittenberg stehen seit Tagen die Ammoniakanlagen still. Das Unternehmen ist einer der wichtigsten Produzenten für AdBlue, ohne das kaum ein moderner Lkw fährt. SKW müsse monatlich voraussichtlich 30 Millionen Euro Gasumlage zahlen. Das sei finanziell nicht zu stemmen.
Gewarnt hat ebenfalls Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Inzwischen mussten 16 Prozent der Industriebetriebe ihre Produktion aufgrund der hohen Energiepreise herunterfahren oder einschränken, berichtete er auf der Vollversammlung der Handelskammer Hamburg. Doch es trifft nicht nur große Unternehmen. Auch im Mittelstand sehen sich immer mehr Firmen gezwungen zu schließen.